Echter Verbraucherschutz oder Eigenwerbung?
Seit es Konsum und Handel gibt, wird „der Verbraucher“, das unbekannte Wesen, in zigtausend Marktforschungen intensiv untersucht, um alle Bedürfnisse und Wünsche jeder nur möglichen Zielgruppe zu identifizieren. Dabei wollen doch alle nur das eine…
Sie wollen Ehrlichkeit und Transparenz. Keine Lügen, weder über die Bezeichnung und die Zutaten eines Lebensmittels noch über den wahren Inhalt, der sich in einer oft viel zu großen Verpackung verbirgt.
Gut, dass es Verbraucherverbände gibt, die der Industrie auf die Finger gucken, könnte man meinen. Ärgerlich nur, wenn sich diese Organisationen der gleichen marktschreierischen und verzerrenden Werbung für die eigene Sache bedienen, wie es diejenigen tun, die sie so massiv anprangern.
Aktuell stehen wieder die Nominierungen für den „Goldenen Windbeutel“ fest. Beim Scrollen durch die vielen Vorschläge der Verbraucher auf „schummelmelder.de“ fällt auf, dass es sich nicht nur um aktuelle Hinweise aus diesem Jahr handelt, sondern viele noch aus dem letzten Jahr stammen müssen. Schlauerweise verzichtet Foodwatch auf die Angabe eines Einreichungsdatums, so erscheint die Menge der Meldungen deutlich größer. Ebenfalls seltsam, dass keines der in diesem Jahr nominierten Produkte von einem Verbraucher auf das Portal gemeldet wurde. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, dass es regelmäßig bekannte Marken trifft, die an den medialen Pranger gestellt werden. Weder die Menge der Einreichungen noch die Anzahl der Abstimmenden ist transparent einsehbar. Wenn da mal alles mit rechten Dingen abläuft?
Wie schon im letzten Jahr stehen einige Kandidaten zu Unrecht auf der Nominierungsliste. Zweimal sind Verpackungen aus kompostierbaren Materialien dabei, zweimal soll durch Aussagen zum Klima getäuscht worden sein und Kandidatin fünf ist eine Süßigkeit, die zu viel Zucker enthält- ah, ja! Sowohl die Kompostierbarkeit als auch das Siegel ‚klimaneutral‘ sind durch Zertifikate belegt. So kritisch man die gewählten Nachhaltigkeitsmaßnahmen auch sehen mag, der Verbraucher wird dadurch nicht getäuscht. Der Vorwurf von Foodwatch richtet sich vielmehr an die Systeme, die dahinterstehen: die Prüfnorm EN 13432 zur Kompostierbarkeit entspreche nicht den realen Bedingungen und die Kompensationsprojekte von „Climate Partner“ für den Claim „klimaneutral“ hielten nicht das, was sie versprechen. Weil diese Fische für einen leichten Fang offenbar zu groß sind, nimmt man sich die kleinen vor und klagt stellvertretend einzelne Produkte an. Richtigerweise müssten die Methoden kritisch hinterfragt werden, denn so viel mehr als nur diese vier hier angeklagten Produkte und Verpackungen werben genauso.
Es bleibt der schale Nachgeschmack, dass Selbstdarstellung offenbar wichtiger ist als der Anspruch systemimmanent Änderungen herbei führen zu wollen.