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TILISCOS KOLUMNE – Der Untergang des Mehrwegsystems


Der Untergang des Mehrwegsystems

Die Mehrwegquote für Bier liegt aktuell bei 82%, so hoch wie bei keinem anderen Getränk. Das liegt vor allem daran, weil Bier aus Glas besser schmeckt und weil es (noch) ein funktionierendes Mehrwegsystem gibt.

 

Kurz zur Erinnerung: Mehrweg ist nicht per se das ökologisch vorteilhaftere System. Die Rahmenbedingungen, wie der Abfüllort, die Anzahl der Umläufe, die Füllmenge im Verhältnis zum Flaschengewicht, vor allem aber die Länge der Transportwege sind maßgeblich für die Bewertung der ökologischen Vorteilhaftigkeit.

Und eines steht fest: Der Einsatz von standardisierten Flaschen, wie z.B. die Steini Flasche oder die Longneck Bottle, ist für ein Mehrwegsystem ein Riesenvorteil, denn diese Flaschen können an jedem Ort, mit jeder Biermarke gefüllt werden. Während Anfang der 1980er Jahre lediglich eine Standardflasche, die „Euro“ - Mehrweg-Poolflasche, existierte, gibt es heute für Bier und alkoholfreie Getränke schon über 1.500 Individualflaschen auf dem Markt.

Die Individualflasche kann nur von der jeweiligen Brauerei wieder befüllt werden und legt dabei Lieferwege von 400 km oder wie die Flaschen der Biermarke „Corona“, des mexikanischen Getränkeherstellers Grupo Modelo, auch schon mal etwa 9.000 km zurück. Allein der Transport der leeren Corona-Flaschen aus Deutschland zu den Häfen an der Küste verbraucht mehr CO2 als die Herstellung einer neuen Flasche. Der Schiffstransport nach Mexiko ist da noch nicht einmal eingerechnet.

Und ausgerechnet das deutsche Finanzministerium könnte dafür verantwortlich sein, dass es in Zukunft nur noch Individualflaschen für Bier gibt. Denn steuerrechtlich dürfen die Brauereien, die die Standardflaschen nutzen, für diese in Zukunft keine Pfandrückstellungen mehr für etwaige Rücknahmeverpflichtungen bilden. Die Begründung grenzt an juristische Spitzfindigkeit und geht um die Frage, wem die Pfandflasche eigentlich gehört. Die Individualflasche kann immer einem Eigentümer, der Brauerei, zugeordnet werden. Die Standard-Pool-Flasche hingegen, geht in das Eigentum des Verbrauchers über, wenn er dafür Pfand gezahlt hat, da diese nicht mehr einer speziellen Brauerei zugeordnet werden kann.

 

Diese steuerrechtliche Betrachtung widerspricht jeglicher Lenkungswirkung für eine höhere Mehrwegquote und zugunsten nachhaltigerer Verpackungen. Hoffentlich treffen sich die verantwortlichen Köpfe der betroffenen Ministerien schnell auf ein kühles Bier, um einen steuerrechtlichen und juristischen Ansatz zu finden, der diese gut funktionierende Mehrwegquote stützt und sogar für andere Getränke als Vorbild dienen kann. Prost!

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TILISCOS Kolumne im PackReport 01-02/2020
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